Offener Brief
der Vereinigung zur Abwehr der Diskriminierung und der Ausgrenzung Russlanddeutscher sowie russischsprachiger Mitbürger in Deutschland
(VADAR) e.V.
an:
- Olaf Scholz Kanzler der Bundesrepublik Deutschland
- Tiny Kox Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
- Luise Amtsberg Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung
- Eamon Gilmore Menschenrechtsbeauftragter der Europäischen Union
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Mitglieder des Vereins VADAR e.V. zeigen sich besorgt über die von einigen Ländern der EU begonnene restriktive Erteilung von Touristenvisa an russische Staatsbürger und Schikanen beim Grenzübertritt aus der russischen Föderation.
Uns wurde berichtet, dass russische Reisende, die am 19.08.2022 mit dem Bus von Moskau nach Riga reisten, von lettischen Grenzbeamten aufgefordert wurden, Stellungnahmen zum Ukrainekrieg auszufüllen. Diejenigen, die sich weigerten, wurden an der Grenze zurückgewiesen. Dies ist in unseren Augen ein gravierender Verstoß gegen Artikel 18 der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AEMR der vereinten Nationen und Artikel 10 der Charta der Grundrechte der EU. Wir fordern Sie auf, gegen solche diskriminierende Handlungen vorzugehen.
Die Europäische Union hat begonnen, über ein neues Sanktionspaket gegen Russland zu diskutieren.
Eines der Themen ist die mögliche Beendigung der Erteilung von Schengenvisa an Russen — eine solche Forderung wurde vom Präsidenten der Ukraine, Wladimir Zelenski, gestellt.
Das Oberhaupt der Ukraine ist der Meinung, dass die Maßnahme auch jene Russen betreffen sollte, die das Land aus Protest verlassen haben. Seiner Meinung nach sollten alle in ihre Heimat zurückgeschickt und „die gesamte Bevölkerung zur Verantwortung gezogen“ werden.
Diese Forderung wurde vom tschechischen Außenminister Jan Lipavsky unterstützt. Das Land ist eines der ersten in Europa, das die Visaerteilung an Russen ausgesetzt hat. In Finnland hat die größte Parlamentspartei im Juli einen ähnlichen Vorschlag gemacht.
Am 11. August kündigte der estnische Außenminister Urmas Reynsalu an, dass das baltische Land die Grenzen für russische Staatsbürger schließt, denen die Republik zuvor ein Schengenvisum ausgestellt hat. Er stellte klar, dass die Sanktionen ab Mitte August gelten werden, aber für einige Kategorien von Bürgern werden Ausnahmen gemacht, zum Beispiel für Mitarbeiter der Diplomaten Estlands und Angehörige der Bürger der Republik.
Am selben Tag sagte der lettische Außenminister Edgar Rinkevich, dass die Bewohner des Landes, die die russische Staatsbürgerschaft inne haben, gezwungen wären, den Staat zu verlassen. Er stellte klar, dass in Lettland bald die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Darüber hinaus hat das Parlament Lettlands Russland offiziell zum „Staat erklärt, der den Terrorismus sponsert“.
Gleichzeitig ließ der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit verlauten, dass es weder seitens der Europäischen Union noch der Bundesregierung „eine einheitliche Position“ zur Visa-Frage für Russen gebe.
Die EU-Kommission verzichtete auf Einmischung und ließ die Frage der Zuständigkeit bei den Ländern der Europäischen Unio. Das Kommission erklärte, dass die EU-Visagesetzgebung die Möglichkeit einer Aussetzung oder Einstellung der Erteilung kurzfristiger Visa für Russen nicht vorsieht, da es eine Reihe von Kategorien von Menschen gibt, denen das Visum in jedem Fall ausgestellt werden muss.
Nach Ansicht des estnischen Ministerpräsidenten Kai Kallas ist „ein Besuch in Europa jedoch ein Privileg und kein Menschenrecht“.
Obwohl der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz darauf hinwies, dass es schwierig sei, ein Verbot der Ausstellung von Schengenvisa für russische Staatsbürger vorzunehmen, wurde diese Diskussion bei den Mitgliedern unseres Vereins VADAR e.V. mit großer Sorge verfolgt.
Diese offensichtlich diskriminierende Politik weckt dunkler Erinnerungen an die Zeit des „Eisernen Vorhangs“, der Europa und vor allem Deutschland in zwei Teile teilte, Familien zerriss und die Verständigung zwischen den Völkern völlig auf Eis legte.
Wir möchten in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß die Demokratien des Westens in Zeiten des „eisernen Vorhangs“ die Führung der DDR und andere kommunistische Staaten aufforderten, den Bürgern dieser Staaten Reisefreiheit zu gewähren. Für uns ist regelkonforme und legale Reisefreiheit ein Menschenrecht und kein Privileg.
Wir fordern, die Diskussion über diese diskriminierenden Maßnahmen sofort zu beenden und eine demokratische Gesellschaft, die auf der Achtung des Gesetzes und der Menschenrechte beruht, nicht mehr zu beschämen! Die Bestrafung der gesamten Bevölkerung einer Nation wegen des Handelns ihrer Regierung verhindert ein friedliches Miteinander, die Kontaktpflege und die zukünftige Versöhnung.
Ulrich Oehme Vereinsvorsitzender
Eugen Schmidt, MdB stellv. Vereinsvorsitzender
Dr. Harald Weyel, MdB, Prof. a.D. Schatzmeister